Jemen

Die Republik Jemen war vor und ist auch nach der Vereinigung1 ein einzigartiges Beispiel eines noch echt arabischen Landes, geographisch an der Peripherie Westasiens gelegen, mit einer jahrhundertealten Tradition, die die Menschen und die Geschichte mitgestaltet hat. Obwohl der Jemen zwei Mal türkischer Besetzung ausgesetzt war, wurde er nie Opfer einer westlichen Kolonialisierung (das britische Protektorat erstreckte sich nur auf den Süden und reichte nie bis Taiz, zeitweise vormals Residenz der Imame, oder Sana´a, der heutigen Hauptstadt), war also nie zur Gänze westlichem Einfluss, westlicher Lebensweise und Sprache ausgesetzt. Die Herrschaft der Imame war nachweislich eine absolutäre, jedem ausländischen Einfluss feindlich eingestellte Machtausübung, hat aber den unverfälschten, unverwässerten arabischen Lebensstil zu erhalten geholfen. Das jemenitische Volk bleibt eine intrinsisch arabische Gemeinschaft: die Frauen sehen sich als Nachkommen der Königin von Saba, weshalb auch jede dritte Bilquis heißt, die Männer tragen unbeirrt ihre Dschambiyya (den Krummdolch), auch wenn daneben längst ein Handy hängt. Stipendien an amerikanische Universitäten werden dankbar entgegen genommen, aber man kehrt unversehrt 100 prozentig jemenitisch nach Hause zurück. Auch die Studentinnen, die im Ausland „das freie Leben“ kennen gelernt haben, kleiden sich zu Hause wieder traditionell und fügen sich nahtlos in das charakteristische Bild und die Verhaltensmuster ein. Dies alles gepaart mit bewundernswerter Toleranz und Verständnis für ausländische Besucher, die immer und überall willkommen sind, aber nicht nachgeahmt werden2.

Der Name „Arabia Felix“ wurde für dieses Land von den Griechen bzw. den Römern auf Grund des lieblichen Klimas und des märchenhaften Reichtums an Gewürzen und landwirtschaftlichen Produkten gewählt. Kaiser Augustus sandte deshalb eine Expedition nach Felix Arabia, die mit katastrophalen Folgen endete. Ein betrügerischer Führer hatte die Truppen in die Irre geleitet, sie erreichten Südarabien nach langen Irrwegen durch wasserloses Gebiet total erschöpft, krank und entmutigt.3 Ähnliche Irrfahrten sollen auch heute noch Forschern beschieden sein, die nicht mit ehrlichen Absichten ins Land kommen. Nichts erfreut das Herz eines ob seiner Rückständigkeit belächelten Jemeniten mehr, als den eingebildeten Ausländer an der Nase herum zu führen und ihm „unglaubliche“ medienwirksame Unsinnigkeiten zu erzählen …

Ein überlieferter Mythos besagt: „Als der liebe Gotte auf der Erde Reichtum und Ressourcen verteilte, vergaß er völlig auf den Jemen. Als ihm dies zur Kenntnis gebracht wurde, überlegte er lange und traf dann folgende Entscheidung: „ Eure Gabe wird ein heller Verstand und Erfindungsreichtum sein und Ihr werdet daraus großen Nutzen ziehen“.


1 Bis 1990 gab es den so genannten Nord- und den so genannten Südjemen, obwohl es nach der geographischen Lage dieser Landesteile eigentlich West- und Ostjemen lauten sollte …

2 Shafi´i, der Gründer einer der vier Rechtsschulen des Islam und als „Vater der muslimischen Jurisprudenz“ bekannt, prägte den von Jemeniten immer wieder zitierten Ausspruch: „Nach Sana´a zu reisen ist ein Muss, wie lange auch immer die Reise dorthin dauern mag…“ ( Für Arabisten: „wa lā budda min Sana´a wa in tāli as-safar“)

3 Siehe Encyclopedia Britannica

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