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Die jemenitische politische Szene ist immer für Überraschungscoups gut. Nur einige Tage vor dem angekündigten Beginn des Waffenstillstandes und dem Beginn der nachfolgenden Verhandlungen der jemenitischen Konfliktparteien am 18.4. in Kuweit hat Präsident Hadi seinen Stellvertreter und gleichzeitig Ministerpräsidenten Khaled Bahah entlassen und durch Ali Mohsen alAhmar (Vizepräsident) und Ahmed Obeid Bin Daghr (Ministerpräsident) ersetzt. Khaled Bahah wurde durch Schmähworte des Präsidenten gedemütigt, aber doch zum „Berater des Präsidenten“ ernannt. Bahah hat die Absetzung zunächst mit den Worten, er werde dem Jemen „auf andere Weise dienen“ hingenommen, tags darauf aber darauf hingewiesen, dass die Absetzung außerhalb der Legitimität erfolgt sei und die Bemühungen um einen innerjemenitischen Friedensschluss unterminiere sowie dem Staatsstreich der Houthis Rechtfertigung verschaffe.

Über diese aktuellen Vorgänge wird im Jemen nun auf vielfältige Weise spekuliert. Für externe Beobachter ist kaum nachvollziehbar, dass

  1. das Gerangel zwischen den immer gleichen alten Machthabern völlig abgehoben von den Kriegsleiden der Bevölkerung und den Folgen von Belagerung, Vertreibung, Mangel an Nahrung, medizinischer Versorgung, dem Fehlen von Arbeit und Unterhalt eines Großteils der Menschen stattfindet.
  2. die Legitimität solcher Beschlüsse im Jemen selbst kaum angezweifelt wird. Abgesehen von der Fragwürdigkeit der Legitimität Hadis als Präsident, der im Januar 2015 zurückgetreten ist und dessen Amtszeit im Februar 2015 abgelaufen ist, fragt sich, ob es legitim ist, dass ein Land nur aus dem Ausland regiert wird?

Hadi selbst hat von den letzten 12 Kriegsmonaten insgesamt höchstens zwei im Jemen verbracht, die von ihm ernannten Ali Mohsen alAhmar und Ahmed Bin Daghr sind bereits seit mehr als einem Jahr im Exil in Riadh und ihre Rückkehr ist höchst unerwünscht.

  1. das Procedere Hadis grundsätzlich zu hinterfragen ist, da es in erster Linie dazu dient, die bevorstehenden Verhandlungen zum Scheitern zu bringen – falls es nicht vorher noch zu anderen Zweckbündnissen kommt.

Jemenitische Beobachter spekulieren vor allem über die Verschiebung der Machtverhältnisse und ihre Folgen auf die einzelnen Parteien. Selten stehen auch bei den Analysen der Journalisten die Interessen der Bevölkerung im Vordergrund. Was also verändert dieser „Schachzug“ Hadis, wobei sich die Frage stellt, inwieweit es sich um seine eigene freie Entscheidung oder ein Diktat der Saudis handelt. Hadi scheint nach den seit einem Monat laufenden direkten Verhandlungen zwischen Houthis und Saudis, von denen er ausgeschlossen ist, klar zu sein, dass seine Tage als Präsident gezählt sind und er daher nur noch Weichen für die Zeit danach stellen kann.

Eine erste Adresse Ali Mohsen alAhmars an die Jemeniten appelliert denn auch staatsmännisch an die Gemeinsamkeiten: „Wir haben nun viel zu tun um unsere Heimat zu erretten, um die Vergangenheit zu überwinden und den Übergang in die Zukunft zu schaffen und die Rechte aller Jemeniten zu schützen und zu bewahren“. Dann spricht er aber auch von einem „Sieg über die Aufständischen“. Da Ali Mohsen beim Einmarsch der Houthis in Sana’a Hals über Kopf fliehen musste, ist sehr wohl mit Racheaktionen zu rechnen.

Sowohl Ali Mohsen alAhmar wie auch Ahmed Obeid bin Daghr gelten als „Verräter“, weil sie ihre scheinbaren Loyalitäten mehrfach gewechselt haben. Allerdings gilt solcher Verrat innerhalb des Systems der Opportunität von Bündnissen als relativ normal.

Die Ermächtigung von Ali Mohsen al Ahmar bedeutet zunächst einmal eine Rückkehr zu den autoritären Machtverhältnissen vor der Revolution und vor dem Nationalen Dialog und seinen demokratischen Strukturen und entspricht insofern den Zielen Saudi Arabiens, nur autoritäre Systeme zu dulden. Ali Mohsen war während der letzten Monate engster Berater des saudischen Militärs bei den Einsätzen – vor allem der Bodentruppen – gegen den Jemen. Er hat sich dabei- trotz geringen militärischen Erfolgs – das Vertrauen der Saudis erworben. Da er aber ein Vertreter der Muslimbrüder ist, hat er die Emirate, welche die Gegend um Aden beherrschen, massiv gegen sich. Seine Ernennung verschärft daher den Konkurrenzkampf zwischen Saudis und Emiratis im Jemen,  zumal letztere Khaled Bahah als Nachfolger Hadis gefördert haben.

Sie bedeutet aber auch eine Wiederaufwertung des Militärs als staatstragende Kraft, nachdem sich im letzten Jahr die bewaffneten Streitkräfte in zahlreiche Milizen aufgespalten haben. Die Person Ali Mohsens stößt in der politischen Szene des Jemen überwiegend auf Ablehnung. Für ihn ist nur die Islah-Partei, die mit der Ernennung des konservativen Hardliners der Muslimbrüder ein Upgrade nach einem enormen Bedeutungsverlust seit 2011 erlebt. Für Ali Mohsen sind auch noch jene Jemeniten, die ihm dankbar sind, dass er den Sturz Ali Abdullah Salehs durch seine – spekulative – Unterstützung der Revolution ermöglicht hat. Weiters dürfte er Unterstützung bei alQaida haben, denn er war während der Regierungszeit Salehs dessen Mann fürs „Grobe“ und hat beste Kontakte zur alten alQaida. In der Bevölkerung gilt Ali Mohsen als nicht vertrauenswürdig, vor allem im Süden, wo er sich nach dem Bürgerkrieg 1994 ein Reich an Latifundien und Immobilien angeeignet hat. Im Süden erstarken nach dieser Beförderung Al Mohsens die Separatisten.

Gegen Ali Mohsen alAhmar ist vor allem Saleh selbst, der sich seit 2011 von ihm verraten fühlt und ihn wie Hadi zum Landesverräter deklariert hat. Angesichts der jahrzehntelangen Beziehungen zwischen den beiden Protagonisten, welche die Jemeniten unterdrückt und den Staat geplündert haben, rechnen einige Beobachter damit, dass sich Saleh und alAhmar wieder arrangieren könnten.

Gegner alAhmar sind aber auch die Houthis, die er in 6 Bürgerkriegen 2004-10 als Feldherr Salehs blutig, aber nicht erfolgreich bekämpft hat. Die Houthis sehen in der Bestellung alAhmars vor allem eine nicht gerechtfertigte Aufwertung der Islah-Partei, welche sie – vor allem in Taizz -massiv bekämpfen.

Allerdings haben sich die Houthis mit Kommentaren zu diesem Revirement, das einem Umsturz gleichkommt, sehr zurückgehalten. Die Houthis haben in Khaled Bahah einen konzilianten Kompromisskandidaten für die Führung einer Einheitsregierung gesehen. Es scheint, dass die Direktverhandlungen mit den Saudis für die Houthis derzeit vorrangig sind und sie die Ruhe bewahren.

Die Ernennung von Ahmed Obeid bin Daghr ist vor allem ein Schlag gegen Saleh, der auch sofort darauf reagiert hat, indem er bin Daghr und Hadi aus dem Moutamar, seiner Kongresspartei, ausgeschlossen hat. Ahmed bin Daghr war einer der engsten Proxies von Ali Abdullah Saleh und hat enorm von dieser Beziehung profitiert. Mit einigen anderen Spitzenpolitikern des Moutamar wurde er vor einigen Monaten in Riadh unter der Führung von Hadi „umgedreht“ und in einem „Gegen-Moutamar“ aufgebaut. Saleh befürchtet nun – wohl zu Recht – dass bin Daghr den Moutamar bei den Verhandlungen in Kuweit und bei der Regierungsbildung danach repräsentieren würde und er damit ausgebootet wäre.

Die abrupt vorgenommene Regierungsumbildung löst also diverse Stoßwellen aus und mischt die Positionen für die Verhandlungen in Kuweit neu. Sie schadet derzeit Ali Abdullah Saleh und nützt der Islah – aber das kann sich sehr schnell ändern. Der jemenitischen Bevölkerung erwächst daraus jedenfalls keine absehbare Linderung der Kriegslasten.

 

Die Verhandlungen zwischen Saudi Arabien und den Houthis scheinen indessen holprig zu laufen, da es immer wieder zu Unterbrechungen der Waffenruhe kommt: die Saudis bombardieren die Provinzen Saada und Taizz, die Houthis haben wieder einmal eine Rakete nach Saudia Arabien abgeschossen. Immerhin kam es zweimal zu Gefangenenaustausch und die Gespräche dauern fort – beide Parteien stehen unter Druck, den militärischen Krieg zu beenden. Die Houthis haben das Revirement Hadis nicht kommentiert, sondern nur bekannt gegeben, dass ihre Verhandlungsdelegation in Kuweit von Ali Ahmed al Dhafif geleitet wird. Der saudische Außenminister Adel alJubeir teilte mit, dass die saudisch-Houthi’schen Verhandlungen erfolgreich verlaufen – wie schon Kronprinz Mohamed bin Salman in der Vorwoche. Weiters bestätigte al Jubeir, dass keine Vertreter Salehs in die Verhandlungen einbezogen seien.

Die „Regierung Hadi“ entsandte unterdessen den Direktor der Präsidialkanzlei Abdullah al Alimi mit einer Delegation nach Kuweit voraus.

Ali Mohsen alAhmar Ahmed Obeid bin Daghr

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