erschienen online im Blog http://www.jill-24-7.de/2018/02/22/jemen-katastrophe/
Jemen ist momentan einer der schlimmsten Orte auf der Welt, um ein Kind zu sein“, sagte Geert Cappelaere, UNICEF-Regionaldirektor im Jemen, kürzlich. Wir lesen von Gewalt, Hungersnöten, Cholera-Epidemien…..
Jemen ist eines der kinderreichsten Länder der Welt – auch deshalb sind Kinder besonders von den nun bald drei Jahre andauernden Kriegshandlungen betroffen. Es ist ein Krieg, der die Zivilbevölkerung nicht schont, im Gegenteil: Weil der Krieg militärisch nicht gewonnen werden kann, wird die Zivilbevölkerung in Geiselhaft genommen und einem schleichenden Genozid ausgesetzt. Die Jemeniten, einschließlich ihrer vielen Kinder, sind in den meisten Gegenden des Landes Nahrungs- und Wasserentzug, Vertreibung, Epidemien wie Cholera und Diphterie, fehlender medizinischer Betreuung, Landminen und Bombardierung ausgesetzt.
In Aden brachen vor einigen Tagen erneut Straßenkämpfe zwischen dem Heer und der Separatistenmiliz aus. Aden leidet wie der Rest des Landes unter galoppierender Inflation, Währungsverfall und um bis zu 400 % gestiegenen Preisen für Grundlebensmittel. Zwar gibt es ausreichend Lebensmittel, doch sind diese für den Großteil der Bewohner unerschwinglich. Das tägliche Leben geht darin auf, das Nötigste zum Leben zu beschaffen, meist gibt es kein Benzin, kein Gas, die Wasserversorgung und die Müllentsorgung funktionieren schlecht, es gibt kaum bezahlte Jobs, man lebt von der Hand in den Mund. Der Jemen war ja mehr als zwei Jahre von der Außenwelt abgeschnitten, Häfen und Flughäfen waren geschlossen.
Inwieweit kommen Spendengelder, die an die großen Hilfsorganisationen gehen, überhaupt bei der Bevölkerung an? Erst am Wochenende war von den Vereinten Nationen ein neues Hilfsprogramm für den Jemen im Umfang von drei Milliarden Dollar beschlossen worden. Etwa 13 Millionen Menschen sollten endlich versorgt werden. Doch nun sickerte in UN-Kreisen die Information durch, die Houthis hätten über 30 Hilfsorganisationen (u. a. auch der UN) die Einsätze in den von ihnen kontrollierten Gebieten untersagt.
Ohne Spendengelder und ohne den Einsatz der vielen großen und kleinen internationalen und nationalen Hilfsorganisationen wären sicher schon Hunderttausende Jemeniten an Hunger, Durst, Krankheit, Vertreibung gestorben. Bei einer humanitären Katastrophe diesen Ausmaßes – fast 20 Millionen Menschen sind betroffen, darunter 8 Millionen akut – wird die Tätigkeit der Hilfsorganisationen zu einem Unternehmen, in dem Milliardenbeträge umgesetzt werden. Tausende Menschen sind weltweit in die Hilfsdienste eingebunden, auch viele Jemeniten vor Ort. Zahllose Firmen liefern die Hilfsgüter, für welche die Spendengelder eingesetzt werden. Bei dieser Größenordnung ist die Produktion und Beschaffung von Hilfsgütern zu einem eigenen Wirtschaftszweig geworden. Hinzukommt die Logistik des Transports, der Lagerung und der Lieferung an die Ausgabe- oder Verteilungsstellen, damit die Hilfsgüter dort ankommen wo sie dringend gebraucht werden – auch in lebensgefährlichen Kriegssituationen. Die Hilfsdienste bewältigen diese schwierigen Aufgaben in der Regel professionell und getragen von humanitärem Ethos. Dennoch lassen sich bei komplexen Dienstleistungen und Warenbereitstellungen dieser Art Missstände nicht immer vermeiden. Dazu gehört die Unterschiebung minderwertiger Hilfsgüter, vor allem im medizinischen Bereich, Mehrkosten durch schlechte Logistik und lange Lagerungszeiten, Verteilungsungerechtigkeit, Missbrauch und das Faktum, dass die künstlich hergestellte Mangelwirtschaft Schwarzmärkte und Kriegsgewinnler produziert. Im Jemen gab und gibt es die Fälle, wo dringend benötigte Güter wie Diesel (Krankenhäuser, Landwirtschaft) nur auf dem Schwarzmarkt zu haben sind. Manche Hilfsorganisationen gingen dazu über, den Bedürftigen Bargeld (das von der Besatzungsmacht ebenfalls künstlich verknappt worden war) auszugeben, damit diese entsprechend ihren Bedürfnissen einkaufen konnten. Die Geldinstitute nutzten wiederum die Marge zwischen offiziellem Wechselkurs und Schwarzmarktwechselkurs, um erheblich mitzuschneiden.
Dies alles ist nicht zu beschönigen, dennoch leisten die IGOs und die NGOs Unglaubliches, um die humanitäre Katastrophe im Jemen zu lindern. Auch sind andere Wege, die Zivilbevölkerung über weite Gebiete zu schützen und zu versorgen, derzeit schwer vorstellbar. Allerdings gibt es auch lokale, oft schon alteingesessene Hilfsorganisationen, welche die Verhältnisse und die Bedürfnisse der Bewohner genau kennen und in der Lage sind, effektive Hilfe zu leisten, speziell für Kinder und Frauen. Es ist allerdings schwer, an solche Gruppierungen vor Ort Geld zu überweisen. Lokale Organisationen helfen oft durch Lebensmittelpakte mit 6 Grundnahrungslebensmitteln, welche für eine Familie für ein Monat reichen.
In einem Krieg wie diesem, der militärisch nicht zu gewinnen ist, werden andere Strategien eingesetzt um Druck auszuüben und Nachgeben zu erzwingen. Not, Hunger, Schutzlosigkeit und Ohnmacht werden zur Demoralisierung eingesetzt und auch die karitativen Leistungen werden zunehmend strategisch instrumentalisiert.
Unter dem massiven öffentlichen Druck kündigte Saudi Arabien an, Hilfsgüter im Werte von 1,5 Milliarden USD in den Jemen zu entsenden. Allerdings wickelt das Land die Spendenaktionen nicht über die professionellen Organisationen ab, sondern hat eine eigene „Yemen Comprehensive Humanitarian Operation initiative“ eingerichtet, ein rein saudisches Unternehmen unter Ausschluss der internationalen Hilfsorganisationen, das auf dem gesamtjemenitischen Gebiet in 17 Korridoren von Marib aus, das unter saudischer Kontrolle steht, operieren und Hilfsgüter transportieren und zur bedürftigen Bevölkerung bringen will. Offensichtlich will Saudi Arabien die angekündigten Hilfsleistungen mit strategischen Interessen verknüpfen und sich auf diese Weise Zugang zu den Houthi-Gebieten verschaffen. Zudem wird offensichtlich mehr Geld für die Propaganda dieser Aktion eingesetzt als für die Aktion selbst.
Die Untersagung von Einsätzen internationaler Hilfsorganisationen durch die Houthis betrifft ein genau definiertes Kontingent an Hilfslieferungen:
„Houthis order health institutions under their control not to allow any program or move any aid by 36 INGs and local NGOs including UNICEF WFP Oxfam IOM without their approval and monitoring“.
Es geht hier ausschließlich um gesundheitsspezifische/medizinische Güter und Hilfsleistungen. Bei der Order an die jemenitischen Krankenhäuser und Ambulanzen wurde nicht präzisiert, welche medizinischen Güter vorab geprüft werden müssten, doch lässt die Formulierung darauf schließen, dass es unter den Lieferungen möglicherweise untaugliche oder schädliche Chargen gibt, wie dies ja in der Vergangenheit und anderen Orts schon öfter geschehen ist (verseuchte Blutbeutel, abgelaufene Medikamente) . Es scheint, dass die Houthis vor der Verteilung solcher ungeeigneter oder schädlicher Chargen gewarnt wurden.
Nach dem Tod von Ali Abdallah Saleh wurde erwartet, dass es Abspaltungen von den Houthis geben würde, dies scheint jedoch nicht der Fall sein. Hat Salehs Tod überhaupt Einfluss auf den Kriegsverlauf genommen?
Ja, sicher, wenn auch anders als erwartet. Eine spontane Reaktion auf Salehs Tod war die Schließung der russischen Botschaft in Sana’a, die eine der ganz wenigen Botschaften war, welche während der Dauer des Krieges offen geblieben waren. Saleh war mit der russischen Botschaft stets im Gespräch, er band Russlands Interessen in seine Nachkriegspläne ein, u.a. wollte er Russland einen Stützpunkt in Hodeidah erlauben. Russland zeigte sich verärgert über den Iran, dem es nicht gelungen sei, die Houthis unter Kontrolle und von einer Tötung Saleh abzuhalten. Zwischen den Houthis und Russland gibt es offensichtlich kaum Berührungspunkte.
Ein weiterer, die Zukunft des Landes bestimmender Punkt ist, dass durch den Tod Salehs das Streben nach Erhalt der Einheit des jemenitischen Staates an Rückhalt verloren hat und die sezessionistischen Kräfte gestärkt wurden. Somit wird einer Fragmentierung des jemenitischen Staates weniger Widerstand entgegenstehen.
Das Ausscheiden der Saleh-Fraktion scheint auf die Houthis keinen großen Eindruck gemacht zu haben. Im Gegenteil haben sie mehrere wichtige Ämter mit eigenen Leuten aus ihrer Ansar-Allah-Partei besetzt. Welche Auswirkungen hatte das auf die Stimmung im Land gegenüber den Houthis?
Kenner der Lage hatten schon erwartet, dass mit dem Tod Salehs am 4.12. 2017 ein potemkinsches Dorf versinkt. Denn die militärischen Kräfte der Saleh-Fraktion waren schon zum großen Teil in der von den Houthis geschaffenen und kontrollierten neuen Militärordnung aufgegangen. Soweit nachvollziehbar, hat sich nur ein geringer Teil der höheren Militärs nach Salehs Tod abgesetzt. Die Houthis internierten nach Salehs Tod einige tausend Saleh-Anhänger, um den von Saleh vorbereiteten Coup abzuschmettern. Inzwischen wurden diese bis auf einige hundert Personen aus dem engsten Umkreis Salehs wieder auf freien Fuß gesetzt. Saleh hat wohl, als er die plötzliche Kehrtwende vollzog und sich wieder bei den Saudis anbiederte, seinen Rückhalt weit überschätzt. Ähnlich wie im Militär, war Salehs Machtposition auch in seiner Partei, dem Allgemeinen Volkskongress Moutamar, „zerbröselt“. Der Moutamar war von Anfang an keine Partei im üblichen Sinn mit Parteiprogrammatik und Machtteilung, sondern ausschließlich auf den Führer Saleh ausgerichtet und zur Schaffung eines pseudodemokratischen Apparates, in dem Salehs Klientel organisiert war. Schon seit den revolutionären Ereignissen im Frühjahr 2011 hat sich der Moutamar mehrmals gespalten. Der in Sana´a verbliebene Rest kam nach Salehs Tod zur Wahl eines neuen Vorsitzenden zusammen, der den Houthis Loyalität schwor. Allerdings gibt es auch noch Moutamar-Gruppen in Marib, Taiz, Aden und der Diaspora. Die Houthis haben die mit Salehs Tod eliminierten Moutamar-Mandatare ihres Obersten Rates und ihrer provisorischen Regierung problemlos ersetzt. Doch in Verwaltungsangelegenheiten erweisen sich die Houthis als weit weniger professionell als in Angelegenheiten des Militärs und der Sicherheit. In den diversen Ministerien sitzen nach wie vor sehr viele Beamte aus der Ära Saleh.
Welchen Einfluss hat die Regierung Hadi überhaupt noch auf das politische oder militärische Geschehen im Land? Werden die Entscheidungen nicht längst von den Saudis allein getroffen?
In Bezug auf Hadi klaffen die Innensicht innerhalb des Jemen und die Außensicht, insbesondere die Berichterstattung über den Jemen, extrem auseinander. Die Legitimität Hadis ist seit seinem Rücktritt 2014 mehr als fragwürdig und beruht auf der Formel „des international anerkannten Präsidenten“. Eine Formel, die für Saudi Arabien wichtig ist, weil die saudische Regierung den Angriff auf den Jemen mit der Wiedereinsetzung des „rechtmäßigen“ Präsidenten begründet hat. Aber auch die USA, GB und Russland halten zumindest nach außen und auf dem Papier an Hadis Präsidentschaft fest, die er von seiner Residenz in Riad mit mehr oder weniger befolgten Erlässen, Ernennungen und Absetzungen ausübt. Hadi ist auf jemenitischem Gebiet „persona non grata“, im Houthi-Gebiet gilt er als Staatsfeind und Verräter, weil er die Saudis zum Bombenkrieg eingeladen hat, und im Süden verweigert ihm die Besatzungsmacht der Emirate die Landeerlaubnis. An der Person Hadis öffnet sich eine weitere Kluft, denn während Hadi als treuer Vasall der Saudis gilt, versuchten ihn die Emirate von Anfang an zu demontieren, weil seine Anhängerschaft vorwiegend aus Muslimbrüdern besteht. Gerade derzeit versuchen die Emirate, die in Aden präsente Regierungsmission Hadis mithilfe des von ihnen geschaffenen politischen Übergangsrates des Südens und seiner Milizen zu stürzen. Hadi war nie sehr populär, derzeit ist der Rückhalt für den abwesenden Präsidenten, welcher zudem massiver Korruption und Unfähigkeit beschuldigt wird, landesweit sehr gering.
Doch je mehr Hadis Einfluss schwindet, desto mehr drängt sich die Frage auf, was mit den zigtausenden Soldaten des regulären Heeres geschehen wird, wenn es keinen Oberbefehlshaber mehr gibt? Werden daraus Milizen, die von den verschiedenen in- und ausländischen Interessensgruppen für ihre Ziele instrumentalisiert werden?
Saudi-Arabien und Jordanien gehören zu den besten Kunden deutscher Rüstungskonzerne. Wegen der nicht unbedeutenden Rolle, die deutsche Waffen im Jemenkrieg spielen, sollen diese Deals vorerst gestoppt werden. – Ist das eine Erkenntnis, die 3 Jahre zu spät kommt, oder könnte das den Kriegsverlauf tatsächlich beeinflussen?
Im Jemenkrieg sind folgende Kriegsmaterialien deutscher Herkunft, die an die saudische Armee geliefert wurden, von Bedeutung für die Zivilbevölkerung: Bomben verschiedener Formate, die derzeit von einer Rheinmetall-Tochter in Sardinien produziert und nach Jeddah geliefert werden. In Saudi Arabien werden damit die Flugzeuge bestückt, die über dem Jemen Bomben abwerfen. Von Ende März 2015 bis Ende 2017 gab es insgesamt 14.600 Bombeneinsätze, die verheerende Schäden angerichtet haben und denen einige tausend Zivilisten, darunter hunderte Kinder zum Opfer fielen. Mit einem Embargo dieser Bomben, auch jener aus ins Ausland ausgelagerten Produktionsstätten, könnte die humanitäre Katastrophe zumindest gemildert werden. Weiters betrifft dies Küstenwachboote, sofern sie zur Blockade der Hilfslieferungen in den jemenitischen Häfen eingesetzt werden. Ein striktes Lieferverbot ist auch jetzt noch sehr hilfreich. Dauerhaft sind solche Embargos aber keine Lösung, denn Saudi Arabien unternimmt derzeit große Anstrengungen, ein eigenes Rüstungscluster aufzubauen und wird sich in angemessener Zeit selbst versorgen.
Am wichtigsten ist es aber, in der Diskussion um Waffenexporte den Zusammenhang zwischen Waffenlieferungen, Kriegsgeschehen und Flüchtlingsströmen herzustellen. Gerade angesichts der hohen Gewinne in der Waffenproduktion und im Waffenhandel würde ich dafür plädieren, Waffenexporte in (potentiell) Krieg führende Länder mit sehr hohen Exportsteuern zu belegen, die nach dem Verursacherprinzip einerseits für den Wiederaufbau im betroffenen Land, andererseits für die angemessene Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen aus Kriegsländern verwendet werden.
Große Gebiete des Jemens sind (Gott sei Dank) nicht von Kriegshandlungen betroffen, weil sich die Luftangriffe weitestgehend auf Houthi-Gebiete beschränken, doch wie ist die Situation der Menschen in diesen nicht direkt betroffenen Gebieten?
Die meisten Kriegshandlungen finden in den von den Houthis verwalteten Gebieten statt, die sich hauptsächlich über das nördliche Gebirge und die angrenzenden Landschaften erstrecken. Dieses Gebiet umfasst nur 20% der Oberfläche des Jemen, dort lebt aber 80% der Bevölkerung, weil es die fruchtbarsten und klimatisch angenehmsten Zonen des Landes sind. Also sind auch 80% der Gesamtbevölkerung des Jemen seit 2015 ständig von Kriegshandlungen bedroht, an den Grenzzonen und am Meer noch mehr als im Binnenland.
Dennoch zeigen die monatlichen Statistiken, die von den Hilfsorganisationen erstellt werden, dass von extremen Notlagen, Wassermangel und Seuchengefahr auch andere, sogenannte befreite Gebiete betroffen sind. Das hat auch damit zu tun, dass die saudische Koalition nach dem Scheitern einer militärischen Überlegenheit einen Wirtschaftskrieg gegen das gesamte Land führt, der mehrere sehr effiziente Strategien einschließt. Eine davon ist ein Embargo von Dieseltreibstoff. Der Mangel an Diesel legt nicht nur die Energieversorgung der Krankenhäuser lahm, sondern vor allem die Wasserpumpen, die für die Landwirtschaft unabdingbar sind. Landwirtschaftliche Erträge werden ohne die Pumpen von Jahr zu Jahr geringer. Eine andere Strategie bestand darin, dass die öffentlichen Bediensteten einschließlich des Militärs, und damit ein Drittel der Familienerhalter, monatelang keine Gehälter ausbezahlt bekamen. Lehrer konnten nicht mehr unterrichten, weil sie ihre Familie mit anderen Jobs zu erhalten versuchten, die Schulen mussten schließen. Dann verschwand sukzessive das Bargeld und selbst, wenn es in den Geschäften Waren gab, konnten die Menschen nichts kaufen. In Russland bestellte und gedruckte Geldscheine konnten nicht unter die Leute gebracht werden, weil die Flugzeuge mit dem Geldtransport 13 Mal von den Besatzern der saudischen Koalition keine Landeerlaubnis erhielten. Zuletzt wurde die jemenitische Währung galoppierend entwertet. Während man kurz vor dem Krieg für 1 USD nur 215 jemenitische Rial erhielt, muss man nun für einen Dollar mehr als 400 Rial zahlen. Bedingt durch diese Faktoren und die Blockaden der Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen, stiegen die Preise um bis zu 400% während die Arbeitslosigkeit auf 60% stieg. Zuletzt hat Saudi Arabien 2 Milliarden Dollar in der jemenitischen Nationalbank deponiert, um die Währung zu stabilisieren. Von diesen Faktoren sind fast alle Jemeniten betroffen und der Mittelstand ist tief in die Armut gerutscht. Daneben gibt es auch Kriegsgewinnler, dir vor allem auf dem Schwarzmarkt mit der konstanten Mangelware Benzin gute Geschäfte machen.
Der Krieg dauert nun über 1000 Tage, seit Kriegsbeginn gab es fast 16.000 Luftangriffe auf das Land, 22 Millionen Jemeniten gelten als notleidend, 8 Millionen sind akut vom Hungertod bedroht, selbst wenn der Krieg morgen enden würde, wären die Auswirkungen dieser Katastrophe noch Jahrzehnte im Land spürbar. Parallel dazu sind während des Krieges 3 Millionen Babys im Jemen zur Welt gekommen. Ist das ein Zeugnis für die große Leidensfähigkeit der Jemeniten, für Ihre Fähigkeit, dennoch an eine bessere Zukunft zu glauben?
Man kann das so sehen und Hoffnung in die Zukunft des Jemen setzen. Ich neige zurzeit eher zu einer pessimistischen Betrachtungsweise und frage mich: Wie kann die Welt zuschauen, wie hier ein Land – ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen – mutwillig zerstört wird und nichts dagegen unternehmen. Warum gibt es zum Beispiel keine UN-Friedensmission. Warum heizen die sogenannten Freunde des Jemen die Konflikte von außen mehr an, als sie sie schlichten wollen?
Mit jedem Kriegstag mehr, fürchte ich, tragen die Kinder durch Unterernährung, Krankheiten und Traumatisierung bleibende Schäden davon, jeden Tag mehr, die ihr weiteres Leben bestimmen werden, vielleicht sogar noch das Leben ihrer Kinder – so wie unser Leben (ich gehöre der Nachkriegsgeneration an) vom Horror des 2. Weltkriegs und den Gräueltaten geprägt wurden. Die jemenitischen Kinder werden weniger Chancen haben als andere Kinder, die in Frieden aufwachsen können. Ich glaube auch, dass die Menschen im Jemen nicht zur ihrer früheren Lebensform, zu ihrer Gastfreundschaft, ihrer Großzügigkeit und Lebensfreude zurückkehren können – nach allem was sie jetzt durchmachen.
Täglich verfolge ich die Nachrichten, fühle die Ohnmacht und versuche dagegen anzukämpfen, indem ich mich im Kleinen engagiere. Indem ich über den Jemen schreibe, von ihm erzähle, und mich für die NGO YERO engagiere, die in Sana´a ein Zentrum zur Betreuung von bedürftigen Kindern betreibt, ihnen den Schulbesuch ermöglicht und sie fördert, und ihre Familien mit kleinen Einkommensmöglichkeiten und Lebensmittelspenden unterstützt.