Erneute Bemühungen um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen.
In den letzten Tagen häufen sich Meldungen, die auf ein baldiges „Genf III“ hinweisen. Der Druck der „internationalen Gemeinschaft“ auf die Kriegsparteien im Jemen steigt – wohl auch unter dem Eindruck ständig wachsender Flüchtlingszahlen-, die Kriegshandlungen schnell zu beenden. Es ist die Rede von einem omanisch-russischen Friedensvorschlag, auch die UNO und ihr Sonderbeauftragter für den Jemen, Ismail Ould Scheich Ahmed, sprechen von einer Wiederaufnahme der Gespräche, die mehrmals seit Mitte Januar verschoben wurden.
Saudiarabien, der mächtigste Kriegsbeteiligte, wird jedoch wieder nicht an den Gesprächen teilnehmen und behält sich vor, uneingeschränkt Bomben auf dem Jemen abzuwerfen, weshalb aus jemenitischer Sicht Gespräche in der bisherigen Form absurd sind.
Präsident Hadi und seine Regierung, welche die Interessen Saudiarabiens im Jemen repräsentieren, lehnen – zumindest offiziell – alle Verhandlungen ab, solange die Houthis und die Saleh-Fraktion nicht die UNSR-Resolution 2216 auf Punkt und Komma erfüllen. Unter der Hand scheinen Vorverhandlungen betreffend die Freilassung von Gefangenen, die Aufweichung der Blockaden zur Versorgung der Bevölkerung und territoriale Verschiebungen bis zu einem gewissen Punkt gediehen zu sein.
Inzwischen verschieben sich die Kräfteverhältnisse im Jemen ständig, aber nicht nachhaltig.
Die kontinuierliche Reisediplomatie von Ministerpräsident Bahah scheint insofern Früchte getragen zu haben, als es eine Verständigungsebene zwischen Saleh-Houthis und den Emiraten zu geben scheint. Die verbindenden Elemente sind dabei der Kampf gegen den alQaida- und Daasch-Terror, eine gewisse Affinität der Herrscher von Abi Dhabi und Dubai zum Saleh-Clan, sowie das gemeinsame Feindbild Islah, möglicherweise aber auch eine Machtprobe mit Saudiarabien.
Die zuletzt massiven Spannungen zwischen Houthis und Saleh, sowie dessen Vorpreschen gegen die Saudis, scheinen im Abklingen. Zwischen Hadi und Bahah gab es eine Rochade. Ministerpräsident Khaled Bahah ist nach Aufenthalten in den Emiraten kürzlich mit diversen Ministern nach Aden zurückgekehrt, während Präsident Hadi den Jemen wieder in Richtung Riadh verlassen hat, nachdem er wieder einige Revirements in Regierungsämtern vorgenommen hat. Das wichtigste Revirement betrifft den Leiter der Geheimdienste Ali alAchmadi, der zurücktrat und zum Berater im Außenministerium ernannt wurde. Ebenso ernannt wurden von Hadi Gouverneure in den Provinzen Hajja und Tihama, obwohl diese unter Houthi-Kontrolle sind. Bahah, der bisher als Houthi-kompatibel galt, hat unterdessen eine Brandrede gegen die Houthis und Elogen über die Wohltaten der Saudis gehalten, die unter seinen Anhängern Erstaunen hervorrief.
Hadi verliert weiter an Respekt und Popularität in der Bevölkerung, weil ihm sein erklärtes Ziel, Sicherheit in Aden herzustellen, nicht gelingt. Im Gegenteil, die Lage wird immer unsicherer, tagtäglich finden politische Morde und Attentate in Aden statt, hinzukommen Aktionen schwerer Kriminalität wie bewaffnete Raubüberfälle. Das vorläufig letzte politisch motivierte Attentat wurde am 28.1. von einem sogenannten Selbstmordattentäter ausgeführt, der ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in unmittelbarer Nähe des Regierungspalastes zur Explosion brachte. Daash bekannte sich, wie meist, umgehend per social media zu dem Attentat. Diese Bekenntnisse werden von vielen Südländern angezweifelt, die vermuten, dass Saleh hinter der Sabotage steckt. Die Vermutungen erhielten Auftrieb und verstärkten die allgemeine Verunsicherung, als herauskam, dass das von Daash publizierte Porträtfoto des angeblichen Attentäters identisch war mit dem Foto eines niederländischen Djihadisten, der bereits im Oktober 2014 als in Syrien gefallen gemeldet worden war.
Die höchst unsichere Lage in Aden scheint in ursächlichem Zusammenhang mit der Absicht einzelner Kriegsparteien zu stehen, die Einheit des Jemen zu verhindern. Massivstes Interesse daran haben in erster Linie Daash und alQaida, die sich in einem Südjemen ohne Sicherheitsstrukturen ungestört von den Houthis ausbreiten könnten.
Viele Jemeniten amüsieren sich sarkastisch über jenes in den social media publizierte Foto, auf dem Ziegen an einem Hadi-Plakat knabbern. Es erinnert die Jemeniten daran, dass, als sie unter dem saudischen Bombenkrieg, Belagerungszustand und schwersten Mängeln litten, Hadi in einer der opulenten Villen in Riadh residierte und die Saudis zu mehr Härte gegenüber seinen Landsleuten aufforderte. Als er nach mehr als 7 Monaten im Exil Aden zurückkehrte, hatte Hadi sichtlich an Gewicht zugelegt.
Hadis „Bestellung“ des Bombenkriegs gegen den Jemen führte zu einer Anklage Hadis und fünf seiner Regierungsmitglieder durch die Houthis wegen Hochverrats. Das Verfahren gegen die Angeklagten führte in Abwesenheit der Richter Yahya alRubaid in Sanaa. Am 25.1. zerstörte ein saudischer Luftangriff das Haus des Richters und rottete ihn und fast seine gesamte Familie aus.
Die Anklagen der internationalen NGO’s gegen die Kriegsführung Saudiarabiens, die zunehmend mehr gegen Zivilisten und die zivile Infrastruktur des Landes gerichtet ist, gewinnen medial an Einfluss, seit die UNO Saudiarabien massiv wegen Verstößen gegen das Kriegsrecht attackiert. Indessen kommen auch zunehmend die Regierungen der USA und insbesondere Großbritanniens unter Druck. Saudiarabien behauptet, dass britische Berater ständig im Operationsraum zur Definition der Angriffsziele präsent seien, während sich die britische Regierung zu distanzieren versucht, indem sie behauptet, die britischen Experten nähmen keinen Einfluss auf die Auswahl der Ziele. Das Zerstörungspotential der saudischen Luftangriffe auf die Infrastruktur wächst unterdessen tagtäglich. Eine Aufstellung von Mitte Dezember 2015 zeigt folgende Schadenserhebung:
Über die Zahl der militärischen Opfer wird beharrlich geschwiegen, doch sickerte kürzlich die nicht gesicherte Zahl von 24.000 gefallenen Soldaten durch. Inzwischen nimmt die Hungernot ständig zu NGO’s berichten, dass derzeit 14 mio Jemeniten unter Hunger leiden.
Auch die internationale Lage und damit die Konstellation des Jemen im außer Kontrolle geratenen Machtgefüge im Mittleren Osten verändern sich ständig. Die wichtigsten für den Jemen relevanten Ereignisse der letzten Wochen:
- die Sanktionen gegen den Iran wurden aufgehoben, dessen Position steigt damit erheblich, es beginnt ein internationales Wettrennen um Geschäfte mit dem finanziell gut ausgestatteten Iran, der großen Nachholbedarf an modernen Gütern hat.
- auch in den Syrienverhandlungen verliert Saudiarabien an Einfluss, der Einfluss Russlands steigt hingegen auch aufgrund militärischer Erfolge.
- Die Nachrichten, dass Saudiarabien die Solidarität von 34 Staaten, mit denen es überstürzt eine Koalition ausgerufen hat, zumindest teilweise schlicht erkauft ist (Sudan, Somalia, Malaysia), trägt nicht zum Prestige des Landes bei.
- Außenminister Kerry hat zur Verwunderung der internationalen Presse die ungebrochene Freundschaft und Treue zwischen Saudiarabien und den USA hervorgehoben.
- Der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Ägypten, Saudiarabien und dem Iran hatte neben gemeinsamen Interessen im Energie- und Verkehrssektor auch Friedensverhandlungen für den Jemen zum Thema.
- die Türkei sieht einer Phase der Destabilisierung bis hin zur Bürgerkriegsgefahr im Osten des Landes entgegen.
- Russland mischt sich wie in Syrien mehr und mehr in die Agenda ein und steht wie allgemein im Mittleren Osten zur Achse mit dem Iran.