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Die Entwicklungen der letzten Wochen sind geprägt von politischer Fragmentierung und aufkommendem Isolationismus, sowie von Verschiebungen in den Allianzen. Der Krieg köchelt dahin, gekämpft wird punktuell an den Grenzen der Houthi-Gebiete. Die Lage vor Hedeidah ist gespannt. Saudiarabien hat es, so der stellvertretende Kronprinz Mohamed bin Salman in einem kürzlichen Interview, nicht eilig und setzt auf Zeit. Es spart die horrenden Kriegskosten des Luftkriegs ein, hält aber die Blockaden von Häfen und Flughäfen aufrecht und bereitet so ein zähes Aushungern der ca. 17 mio Menschen in den Houthi-Gebieten vor.

Die humanitäre Lage:

Ende April fand in Genf eine Geber-Konferenz statt, veranstaltet von UNOCHA sowie den Regierungen von Schweden und der Schweiz. Zwar kamen nicht die als erforderlich errechneten 2,1 Milliarden USD zustande, doch brachten diverse Geberländer immerhin 1,2 Milliarden auf.

Von den 26 Millionen Jemeniten bedürfen derzeit 19 Millionen humanitäre Hilfe und Schutz. UNOCHA und mit ihm diverse internationale Hilfsorganisationen warnen, dass fehlende Mittel zu einer Massen-Hungersnot führen, vor allem unter Kindern, die 40% der jemenitischen Bevölkerung  stellen und für die schwere Entwicklungsstörungen durch Hunger zu befürchten sind. UN-Generalsekretär Guterres sagte drastisch, jede 10 Minuten sterbe ein jemenitisches Kind unter 5 Jahren den Hungertod. Die Hungersnot im Jemen sei derzeit die größte Versorgungskatastrophe weltweit.

Bemerkenswert ist, dass Saudiarabien 150 mio USD zusagte. Die Kriegskosten Saudiarabiens für den Luftkrieg gegen den Jemen beliefen sich auf ca. 200 mio USD täglich.

Hadramauts Alleingang

Am 26. April fand in Mukalla ein Festtag der „einjährigen Befreiung Mukallas von alQaida statt“ (eine typisch jemenitische Scharade, denn al Qaida ist am 26.4.2016 nach Absprache friedlich abgezogen) und in diesem Zusammenhang wurde eine Konferenz unter dem Titel „Jumaa Hadramaut“ (Gemeinsames Hadramaut) abgehalten. Als Ergebnis der Konferenz wurde ein hadramischer Ehrenkodex beschlossen sowie eine Erklärung mit 40 Punktuationen, die ein autonom verwaltetes Gebiet Hadramaut vorbereiten.

Eine Gruppe unter der Führung des Gouverneurs von Hadramaut, Ahmed ben Brik, will damit Präsident Hadi unter Druck setzen, endlich Verhandlungen mit den Houthis zuzustimmen und zu einer Beendigung des Krieges und einer Normalisierung zu gelangen. Falls dies nicht gelingt, will diese Gruppe unter der Führung von Ahmed Ben Brik ein autonomes politisches Gebilde Hadramaut ausrufen und die Kontrolle über Militär, Infrastruktur, Wirtschaft und Verwaltung selbst übernehmen. Hadi hat darauf noch nicht direkt reagiert. Die Proponenten richten sich laut ihrer Erklärung nicht gegen die Besatzungsstaaten Saudiarabien und Emirate und laden Mahra und Schabwa ein, sich zu beteiligen.

Brandherd Aden

Zeitgleich mit den Ereignissen im Hadramaut spitzte sich die Lage in Aden zu. Präsident Hadi entließ per Dekret überraschend den Gouverneur von Aden, Aidrus Zubeidi, und einige Minister, darunter Staatminister Hani ben Brik (nicht verwandt mit Ahmed ben Brik). Letzteren beschuldigte er strafbarer Handlungen und leitete Untersuchungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn ein. Sowohl Zubeidi wie ben Brik sind Volkshelden des Widerstands gegen die Houthis und genießen als solche Anerkennung und Verehrung. Der Entlassung von Aidrus Zubeidi folgte eine „Erklärung von Aden“, in welcher dieser eine ähnliche Vorgangsweise für Aden vorschlug wie von den Hadramis für den Hadramaut gefordert. Die Entlassung Zubeidis und ben Briks führte zu massiven Protestaktionen in der Bevölkerung, wobei die Emirate die Stimmung gegen Hadi zu schüren versuchten und die Anhänger der Sezession anstachelten. Hadi warf den Emiraten vor, sich als Besatzer zu gerieren und die Einheit des Jemen zu sabotieren. Emiratische Zeitungen kritisierten Hadi scharf und stellten seine Legitimität in Frage. In der Folge kam es zu einer pro-Hadi und einer pro-Zubeidi-Kundgebung,  wobei die Emirate die pro-Zubeidi-Kundgebung mit ihren Medien und ihrer Infrastruktur zu stützen versuchen. Dennoch kamen zu beiden Kundgebungen nur wenige Teilnehmer, jene für Zubeidi wurden aus alDhale herbeigekarrt. Offensichtlich lassen sich die Adaner für solche Machtdemonstrationen nicht missbrauchen.

Die neue Situation führt auch zu Verschiebungen im Verhältnis zwischen Emiraten und Saudiarabien. Saudiarabien erhält eine stärkere Position als Vermittler. Beide Besatzungsmächte scheinen auf eine Spaltung/Aufteilung  des Jemen hinzuarbeiten.

Dazu meldete sich auch die Islah-Partei zu Wort, die bekanntlich in der derzeitigen Konstellation sehr unter Druck steht. In ihrer Erklärung unterstützt Islah Hadi – ihren einzigen Mentor -, die Einheit des Jemen und Hadis Entscheidung, Abdelaziz alMuflehi zum neuen Gouverneur von Aden zu bestellen. In der Nacht nach Veröffentlichung der Erklärung wurde die Zentrale der Islah-Partei in Aden abgefackelt.

Am 6. Mai traf der neue Gouverneur in Aden ein und wurde von Vertretern der Regierung Hadi begrüßt. AlMuflehi ist Politiker und Geschäftsmann. Er stammt – wie Zubeidi – aus der sezessionistischen Provinz alDhale, hat in Ägypten studiert und war lange in Geschäften in Saudiarabien tätig. Zuletzt war er im Beraterstab Hadis. Bei seiner Ankunft in Aden meinte er, er wolle keine große Politik machen, sondern die Lebensgrundlagen der Adaner verbessern.

Aden Flughafen, 6.6.2017, Ankunft des neuen Gouverneurs Abdelaziz alMuflehi (Mitte, von hinten)

Mukalla, 26.4. 2016, Fest anlässlich der Befreiung von alQaida vor einem Jahr. In der Mitte im beigen Anzug Gouverneur Ahmed ben Brik, strongman der „Jumaa Hadramaut“ (Gemeinsames Hadramaut)

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