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Nach mehr als 1000 Kriegstagen schreitet die Fragmentierung des Jemen rapide voran. Im Laufe des nun bald drei Jahre andauernden Krieges kristallisieren sich zunehmend die Gewinner heraus, die auf jemenitischer Seite nicht mit den Machthabern der Zeit vor Kriegsbeginn ident sind.

Verlierer des Krieges ist die jemenitisch Zivilbevölkerung und insbesondere die Kinder, wobei laut UN derzeit 22 Millionen Menschen als notleidend gelten und 8 Millionen als akut vom Hungertod bedroht.

Selbst wenn der Krieg bald beendet wird, werden die Zerstörungen wohl Jahrzehnte nachwirken, ob es um Wiederaufbau oder Traumatisierungen geht.

Die Kriegshandlungen konzentrieren sich derzeit auf Luftangriffe der saudischen Koalition auf das Houthigebiet, den Stellungskrieg an den Grenzen der Houthi-Gebiete und am Roten Meer, die Houthi-Raketenattacken auf saudisches Gebiet, den US-Drohnenkrieg in den südlichen Provinzen sowie alQaida-Attacken gegen die Houthis und gegen die emiratisch dominierten Sicherheitskräfte im Süden. Die Emirate verdichten und erweitern ihre militärische Kontrolle des Südens.

Auf der Karte ist ersichtlich, dass die Houthis im Vergleich zur Lage vor dem 4. Dezember 2017 etwas zurückgewichen sind: An der Rotmeerküste in Richtung Hodeidah, im Jauf im Norden und in alBeidha, dessen östliche Grenze hart zwschen Houthis, alQaida und Daash umkämpft ist. Nach dem Tod von Ali Abdullah Saleh wurde erwartet, dass sich größere Einheiten der Republikanischen Garde und der zentralen Sicherheitskräfte von den Houthis abspalten und, wie von Saleh geplant, den saudischen Kräften anschließen würden. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Die meisten dieser Saleh nahestehenden Einheiten wurden von den Houthis schon vorher integriert und ihre Waffen übernommen.

Die auf der Karte hellblau gefärbten Gebiete im Süden und Osten werden von westlichen Medien noch immer als  „unter Kontrolle der rechtmäßigen Regierung Hadi“ geführt, doch hat die Regierung Hadi kaum Einfluss auf das Geschehen, weder militärisch noch politisch. Hadi selbst kann ohne Zustimmung der Saudis nichts unternehmen und wird von den Emiraten, welche sich im Süden immer mehr ausbreiten, als Staatsführer des Südens dezidiert desavouiert.

Die von den Houthis verteidigten Gebiete im Nordwesten des Jemen wurden im Monat Dezember 2017 mit 541 Luftangriffen der saudischen Koalition attackiert, bei denen hunderte Zivilisten starben. Gegenüber November 2017 erhöhte sich die Zahl der Luftangriffe um 67%.

Zwischen Kriegsbeginn am 26.3.2015 und Jahresende 2017 wurden insgesamt 15.760 Luftattacken gezählt, wobei weit mehr zivile als militärische Ziele getroffen wurden. Allein seit Jahresbeginn 2018 wurden durch die Luftangriffe bisher über 200 Menschen getötet.

Große Gebiete des Jemen sind derzeit nicht von direkten Kriegshandlungen betroffen, denn die Luftangriffe der saudischen Koalition konzentrieren sich auf die von den Houthis besetzten Nordprovinzen und die Schauplätze des Bodenkriegs. Dennoch ist die Versorgungslage fast überall schlecht. Die Emirate brüsten sich zwar mit hohen humanitären Leistungen und Infrastrukturverbesserungen für die Menschen des Südens, doch sind die meisten Infrastrukturdienste völlig unzureichend und die Menschen leiden unter Unterversorgung und Mangelernährung. Etwas besser ist die Stromversorgung, aber Benzin gibt es nur zu horrenden Schwarzmarktpreisen, Gas ist knapp, das Internet meistens lahmgelegt und die Preise für die Grundversorgung mit Lebensmitteln sind seit Kriegsbeginn um das Vierfache gestiegen. Hinzu kommt, dass öffentliche Bedienstete seit Monaten auf ihre Gehälter warten. Durch die große Not werden Jugendliche und Männer sowohl im Süden wie im Norden bei den Houthis – und dort auch Kinder – in den Militärdienst getrieben, wo sie noch am ehesten Geld verdienen können. Die Mangelwirtschaft und Verknappung an Lebensmitteln und Geld scheint gezielt herbeigeführt zu werden, denn sie schafft einerseits Nachschub an Soldaten und bringt den Schwarzmärkten der Kriegsgewinnler enorme Gewinne durch Preistreiberei. Damit steigt die Korruption und notgedrungen auch die Kriminalität. Dennoch hat sich die Sicherheitslage im Süden in den letzten Wochen etwas verbessert.

Im Norden war die Sicherheit durch die strenge Überwachung der Houthi-Saleh-Koalition auch früher schon gegeben.

Nach dem Tod von Ali Abdullah Saleh hat sich die Stimmung gegenüber den Houthis rapide verschlechtert. Galten die Houthis trotz aller Drangsalierungen, denen die Bevölkerung in Sana´a und darüber hinaus ausgesetzt war, als Helden für das Vaterland, weil die erfolgreichen Raketenattacken auf saudisches Gebiet den Patriotismus der Jemeniten stärkten, so waren die letzten Wochen – auch abgesehen von den verstärkten saudischen Luftattacken – unerträglich. Saleh hatte ja schon länger geplant, „eine neue Seite aufzuschlagen“, d.h. zu den Saudis überzulaufen und seine Vorbereitungen getroffen. Die Houthis witterten daher überall in Salehs Partei Verrat und inhaftierten führende Moutamar-Mitglieder sowie des Verrats verdächtigte Militärs oder vertrieben sie. Die Houthis steigerten auch die Verhaftungswelle gegen kritische Journalisten und social media-Aktivisten. Sana´a befindet sich seitdem in einem Ausnahmezustand mit Kontrollen, Razzien und Übergriffen. Der Unmut in der Bevölkerung wächst stetig und kann jetzt auch nicht mehr auf Saleh abgelenkt werden. Politisch haben die Houthis mit ihrer Ansar-Allah-Partei den Verlust oder das Ausscheiden der Salehfraktion relativ leicht bewältigt und diverse Minister- und andere hohe Positionen mit eigenen Leuten nachbesetzt.

Salehs Moutamar, der einst über 80% der Parlamentssitze innehatte und sämtliche Minister stellte, erweist sich im Nachhinein als Papiertiger und befindet sich nach dem Tod Salehs und seines Stellvertreters Arif Azouka im Zustand der Auflösung.

Sanaa, 4.1.2018, Neugründung des Moutamar, der Volkskongresspartei, nach dem Tod von Ali Abdullah Saleh. Neuer Parteivorsitzender ist Sadeq Amin Abu Ras, die Partei wendet sich gegen die saudische Aggression. Für Saleh-Sohn Ahmed Ali Saleh ist kein Platz

Sanaa, 4.1.2018, Neugründung des Moutamar, der Volkskongresspartei, nach dem Tod von Ali Abdullah Saleh. Neuer Parteivorsitzender ist Sadeq Amin Abu Ras, die Partei wendet sich gegen die saudische Aggression. Für Saleh-Sohn Ahmed Ali Saleh ist kein Platz

Dieser Tage haben 56 Parteimitglieder in Sana´a, d.h. mit Zustimmung der Houthi,  die Neugründung der Partei beschlossen und erarbeiten Grundlagen und Zusammensetzung der Partei, die 30 Jahre lang ganz auf die Person ihres Führers zugeschnitten war. In einer ersten Stellungnahme ergreifen sie zwar nicht Partei für die Houthis, bezeichnen Saudi Arabien aber als Feind. Zum Vorsitzenden wurde Sadeq Amin Abu Ras, ein früherer Landwirtschaftsminister gewählt. Der Name Ahmed Ali Saleh, der sich als Verbündeter der Saudis um die Position beworben hatte, ist nicht gefallen.

Den Emiraten scheint klar geworden zu sein, dass ohne den Vater Ali Abdullah Saleh dessen Sohn Ahmed Ali Saleh, der seit 2012 in den Emiraten lebt, keine geeignete Führungsfigur für den Jemen ist.

Die Emirate haben sich mit dem „Politischen Rat für den Übergang im Süden“ ein organisatorisch schon weit entwickeltes Instrument (Provinzräte in fast allen Provinzen des Südens und der Ansatz einer Marionettenregierung) geschaffen, dessen Hauptziel vorerst die Abtrennung vom Norden ist. Doch im Norden sind nach Vertreibung der Islah und Auflösung des Moutamar nur die Houthi-Strukturen als funktionierendes politisches Organ übrig geblieben.

In dieser Lage haben sich die Emirate und Saudi Arabien als Besatzungsmacht wohl klar gemacht, dass sie bei einem derzeitigen Kriegsende keine politischen Strukturen, Organisationen und Vertrauensleute mehr hätten, über welche sie die Entwicklungen im Norden des Jemen steuern könnten. Und in dieser Lage mussten die Emirate und ihr Führer, Kronprinz Mohamed bin Zayed, als Hasser der Muslimbrüder bekannt, über ihren Schatten springen und Kontakte zur Islah-Partei aufnehmen, deren Führer in der Emigration leben, weil sie von den Houthis im Norden und den Emiraten im Süden vertrieben wurden. Kronprinz Mohamed bin Salman und Kronprinz Mohamed bin Zayed trafen mit ihren Sicherheitsministern zuerst in Riadh und dann noch einmal in Abu Dhabi (ohne MbS) mit den Islah-Parteiführern Mohammed AlYadumi und Abdulwahab AlAnsi zusammen um mit ihnen eine künftige politische Führung und Führungsstruktur zu besprechen. Yadoumi und Ansi bilden die führende Vertretung der Muslimbrüder in der Islah-Partei, mussten aber – neben anderen Bedingungen – zusagen, dass die Muslimbrüder in Zukunft keinen Einfluss auf die Partei haben werden.

Die Verhandlungen sind noch im Gange. Sie lassen aber Hoffnung aufkommen, dass ein Ende der Kriegshandlungen in Aussicht steht. Bestärkt wird diese Aussicht durch die Ankunft des Vertreters der OSEGY, Maan Schuraim, in Sana´a, um mit den Houthis zu verhandeln. Seit dem Antritt des neuen UN-Generalsekretärs Guterres hat sich die Haltung der UNO in der Jemenagenda von einem Vollzugsorgan saudischer Interessen in eine unparteiische und vor allem humanitär engagierte Richtung entwickelt.

 

 

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